Menzingen
Mutterhauskirche der Schwestern vom Hl. Kreuz
Sonntag, 6. August 2023, 17.00 Uhr
«Grossmeister»
IM ZENTRUM: HEINZ HOLLIGER

Heinz Holliger, Oboe

Geboren in Langenthal. Studien in Bern, Paris und Basel (Oboe bei Emile Cassagnaud und Pierre Pierlot, Komposition bei Sándor Veress und Pierre Boulez). Erste Preise bei den Internationalen Wettbewerben von Genf und München. Weltkarriere als Oboist, Dirigent und Komponist. 

Marie-Lise Schüpbach, Oboe

Geboren in Zürich. Studien in Zürich und bei Heinz Holliger in Freiburg im Breisgau. 1979–2017 Solo-Englischhornistin und Oboistin im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks München. Langjähriges Mitglied des Schweizerischen Festspielorchesters Luzern. 

Diego Chenna, Fagott

Geboren in Italien. Studien in Turin (Vincenzo Menghini) und Stuttgart (Sergio Azzolini). 1998 1. Preis beim Internationalen Fernand Gillet Wettbewerb in den USA. Karriere als Solist und Kammermusiker. Seit 2008 Professur an der Musikhochschule Freiburg im Breisgau.

Edicson Ruiz, Kontrabass

Geboren 1985 in Caracas (Venezuela). Mit 15 Jahren Erstpreisträger beim Internationalen Kontrabasswettbewerb in Indianapolis USA. 2002, mit 17 Jahren, wurde er als erster lateinamerikanischer Musiker Mitglied der Berliner Philharmoniker. Zählt zu den derzeit führenden Kontrabassisten.

Peter Solomon, Cembalo

Geboren 1953 in Plymouth England. Studien in London, Köln und Paris. 1979 Preisträger beim Internationalen Orgelwettbewerb in St. Albans. Weltweite Konzerttätigkeit. 1982–2020 Pianist und Organist im Tonhalle-Orchester Zürich. Professor an der Zürcher Hochschule der Künste.

Programm

Jan Dismas Zelenka (1679–1745)

Sonate Nr. 1 in F-Dur für zwei Oboen, Fagott und Basso continuo (1721/22)

Adagio ma non troppo – Allegro – Larghetto – Allegro assai

Heinz Holliger (*1939)
Preludio e Fuga (a 4 voci) für Kontrabass solo in Wiener Stimmung (2009/10)

Anonimo italiano (17. Jahrhundert)
Sonate in a-Moll für Bass und Basso continuo

Adagio – Allegro – Tema con variazioni

Heinz Holliger (*1939)

'à deux' für Oboe und Englischhorn (2019/20)

Spiegel-LIED – LIED mit Gegenüber (contr’air) – Fangis – à deux / Adieu

Heinz Holliger (*1939)
Klaus-Ur für Fagott solo (2022)
 

Jan Dismas Zelenka (1679–1745)
Sonate Nr. 5 in F-Dur für zwei Oboen, Fagott und Basso continuo (1721/22)

Allegro – Adagio – Allegro

Ticketreservation

Anfahrt

Adresse: Kloster Menzingen, Mutterhaus, Hauptstrasse 11, Menzingen. Das Mutterhaus mit der charakteristischen Kuppel befindet sich von Zug kommend am Dorfeingang auf der rechten Seite. Parkplätze auf der linken Seite (Coop) und beim Gemeindehaus oder beim Zentrum Schützenmatt.
 

ÖV: Bus Linie 2 ab Bahnhof Zug (Haltestelle Institut/Bernardaplatz).

CARTE BLANCHE

Diego Chenna, der wunderbare italienische Fagottist, hat die Sommerklänge schon zweimal – 2014 in der Pfarrkirche Neuheim und 2018 in Finstersee – mit fein austarierten Bläserprogrammen beschenkt, in denen er Werke des Barock und der Moderne einander gegenüberstellte. Dieses Jahr liessen wir ihm freie Hand. Und was bringt er uns zurück? Nicht nur ein tolles Barockprogramm mit Triosonaten von Zelenka und der spannenden Begegnung mit einem anonymen Werk des 17. Jahrhunderts (Jacchini? Oder doch Tartini?). Nicht nur ein Spitzenensemble mit der Oboistin Marie-Lise Schüpbach, dem Cembalisten Peter Solomon und dem venezolanischen Kontrabassisten Edicson Ruiz, Mitglied der Berliner Philharmoniker. Sondern mittendrin: Heinz Holliger, der Schweizer Musiker, Komponist und Dirigent von Weltruf. Wir freuen uns auf sein legendäres Oboenspiel und darauf, dass er uns mitnimmt auf seine kompositorischen Entdeckungsreisen.

Grossmeister

Der geniale böhmische Barockkomponist Jan Dismas Zelenka (1679–1745) ist erst im späten 20. Jahrhundert, nicht zuletzt dank Heinz Holliger, der Vergessenheit wieder entrissen worden. Zelenka war Autodidakt, wahrscheinlich homosexuell, eine gequälte und verzweifelte Persönlichkeit. Er diente ein Leben lang am sächsischen Kurfürstenhof in Dresden, wurde aber von seinem Dienstherrn geringgeschätzt und buchstäblich totgeschwiegen, indem nicht einmal seine Werke weiterverbreitet werden durften. Zelenkas Musik ist von einzigartiger Originalität, voller böhmischer Rhythmen, prickelnder Lebendigkeit und geprägt von einer magistralen technischen Fertigkeit. Kein Wunder, dass sein grosser Zeitgenosse Johann Sebastian Bach ihn ausserordentlich schätzte. Insbesondere mit den 6 Triosonaten von 1721/22 hat Zelenka der Musikwelt ein spätbarockes Bläser-Répertoire von allerhöchstem Rang geschenkt.

Die «Sonate für Bass und Basso continuo» eines anonymen italienischen Autors ist vor etwa dreissig Jahren von einem Antiquitätenhändler in Turin erworben worden und so wieder aufgetaucht. Auf dem Manuskript ist die Unterschrift fast unleserlich. Man kann nur einen Anfangsbuchstaben T oder J erraten und die Endung «ini». Stilmerkmale und die cellotypische Schreibweise sprechen für eine mögliche Zuordnung zu Giuseppe Maria Jacchini (1667–1727), einem italienischen Cellisten und Komponisten der Barockzeit, der zur Bologneser Schule gehörte. Jedenfalls handelt es sich um eine sehr ausdrucksstarke Sonate, die hier mit dem Fagott aufgeführt wird, ist doch die Komposition perfekt mit der Erweiterung und den Besonderheiten dieses Instruments vereinbar.

Zu den Kompositionen des Weltmusikers Heinz Holliger gehören untrennbar auch die sprachspielerischen, oft augenzwinkernden Titel und Satzbezeichnungen. Das Stück «Klaus-Ur» für Fagott solo ist tatsächlich eine Klausur, eine Prüfung. Es wurde als Auftragswerk für den Internationalen ARD-Wettbewerb 2022 in München komponiert. «Fangis»: Lässt es sich treffender umschreiben, wenn die Oboe und das Englischhorn rasend schnell durch ein Labyrinth von asymmetrischen Rhythmen jagen? Und nachdenklich-besinnlich: «à deux – Adieu», geschrieben im Gedenken an die Schwester und die Schwägerin, beide kurz nacheinander verstorben. Zum Schluss: Lassen wir Heinz Holliger selbst erklären, was es mit der «Wiener Stimmung» in seinem «Preludio e Fuga» für Kontrabass solo auf sich hat: «Die sogenannte Wiener Stimmung ermöglicht dank Terzabstand zwischen erster bis dritter Saite und dank den dünneren, leichter ansprechenden Saiten ein viel natürlicheres, virtuoseres Spiel. Der Klang ist transparenter, nie brummig. Die Möglichkeiten des Flageolett-Spiels sind quasi grenzenlos, jedenfalls für den wunderbaren Musiker Edicson Ruiz, dem mein Stück gewidmet ist.» Und der es auch an den Sommerklängen spielt.

Zum Konzertort

1844 wurde die franziskanische Ordensgemeinschaft der Schwestern vom Hl. Kreuz in Menzingen gegründet und sollte in der Folge in der Mädchenbildung und in der Ausbildung von Lehrerinnen weit über die Kantonsgrenzen hinaus eine zentrale Rolle spielen. Der monumentale, das Ortsbild von Menzingen dominierende vierflüglige Institutsbau ist sichtbarer Ausdruck dieser Erfolgsgeschichte. Aus Anlass seines fünfzigjährigen Bestehens liess das Institut ab 1895 an Stelle der damaligen Kapelle die heutige Mutterhauskirche mit der charakteristischen Kuppel errichten. Architekt war der damals bekannteste Kirchenbauer der Schweiz, August Hardegger (1858–1927) aus St. Gallen, der auch die Pfarrkirche in Oberägeri gebaut hat. Er gab der im ersten Stock über einem Theatersaal angeordneten Institutskapelle die Form einer lichten, von gelben Marmorsäulen getragenen Halle im Renaissance-Stil. Die mächtige Kuppel mit unverkennbarer Bezugnahme auf den Petersdom hat im Innern des Kirchenraums überraschenderweise keine Funktion; sie ist ein aufgesetztes Wahrzeichen, das nach aussen wirken soll.

Einführung zum Konzertort

Brigitte Moser Dr. phil., Kunsthistorikerin

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