CHAM
Kalandersaal der ehemaligen Papierfabrik
SONNTAG, 30. JULI 2023, 17.00 UHR
«STREICHSEXTETT»
Geboren in Zug. Studien in Basel, Philadelphia (Curtis Institute of Music), London und Zürich. 1. Preise am Internationalen Mozart-Wettbewerb Salzburg und am ARD-Wettbewerb München. Internationale Konzerttätigkeit. Seit 2013 Professur für Violine an der Universität Mozarteum Salzburg.
Geboren 1959 in Deutschland. Mitglied des Auryn Quartetts von 1981 bis 2022. Zahlreiche CD-Einspielungen (u.a. Diapason d’Or und Echo Klassik). Professor für Kammermusik an der Hochschule Detmold. Spielt eine Stradivari-Violine aus dem Jahr 1722, die früher der Geiger Joseph Joachim spielte.
Geboren 1983 in Connecticut USA. Studien in Philadelphia (Curtis Institute of Music) und Boston. 2008 Carnegie Hall Debüt, seither Konzerttätigkeit in den USA und in Europa. 2009 Preisträgerin des ARD-Wettbewerbs in München. Seit 2016 lehrt sie an der Universität Mozarteum in Salzburg Violine.
Geboren in Norwegen. Studien bei Max Rostal und Sándor Vegh. Seit 1987 ausgedehnte internationale Karriere als einer der führenden Bratschisten unserer Zeit.. Professor für Viola an der Staatsakademie in Oslo. Spielt eine Bratsche von Gasparo da Salo von 1590.
Geboren in München. Studien bei Heinrich Schiff und Boris Pergamenschikow. 2001 Gewinner des Deutschen Musikwettbewerbs. Seither internationale Konzerttätigkeit. Seit 2015 Celloprofessur in Hamburg. Solocellist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München.
Geboren 1977 in Zürich. Studium bei Heinrich Schiff in Salzburg und Wien. Konzertiert weltweit als Solist und Kammermusiker. Streichtrio mit Frank Peter Zimmermann und Antoine Tamestit. Dozent an der Hochschule für Musik in Luzern. Spielt das «Mara»-Violoncello von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1711.
Programm
Johannes Brahms (1833–1897)
Streichsextett Nr. 2 G-Dur op. 36 (1864/65)
Allegro non troppo
Scherzo. Allegro non troppo
Poco adagio
Poco allegro
Antonín Dvořák (1841–1904)
Streichsextett A-Dur op. 48 (1878)
Allegro moderato
Dumka. Poco allegretto
Furiant. Presto
Finale: Tema con variazioni. Allegretto grazioso, quasi Andantino
Anfahrt
Adresse: Fabrikstrasse 5, Cham. Anfahrt über die Knonauerstrasse. Parkplätze im Parkhaus Fabrikstrasse.
ÖV: Bus Linie 42 ab Bahnhof Cham (Haltestelle Löbernmatt).
VERSCHLUNGENE PFADE
Streichsextett – ein Geflecht an musikalischen Verbindungen, fast alle verknüpft mit Christian Poltéra: Er und Sebastian Klinger waren Studienkollegen bei Heinrich Schiff mit gemeinsamer WG. Eine enge, lange Beziehung besteht zum Auryn Quartett und seinem Primgeiger Matthias Lingenfelder, ebenso zum norwegischen Bratscher Lars Anders Tomter. Mit Esther Hoppe ist er verheiratet. Sie und Lily Francis haben am Curtis Institute studiert und lehren heute beide am Mozarteum in Salzburg. Etwas aber ist ganz besonders: Matthias Lingenfelder spielt heute die Stradivari, die einst Joseph Joachim, einer der engsten Freunde von Johannes Brahms, gespielt hat. Und Esther Hoppe spielt heute die de Ahna-Stradivari, die ebenfalls Teil des Joachim-Quartetts war. Beide Instrumente, die Brahms zweifellos gehört hat, heute wieder nebeneinander zu hören, und erst noch mit Musik von Johannes Brahms – einfach magisch!
Melodienselig
Johannes Brahms begann sein kammermusikalisches Schaffen wie viele andere Komponisten mit Streichquartetten, doch hat er diese frühen Werke als Zeugnisse mangelnder Reife später vernichtet. Die ersten Stücke reiner Streicher-Kammermusik, die er veröffentlichte, waren seine beiden Streichsextette, im Druck erschienen 1860 und 1865. Obwohl die Verleger anfangs skeptisch waren, ob sich Werke dieser seltenen, von Boccherini begründeten Gattung verkaufen liessen, wurden die Sextette rasch zu einem grossen Erfolg. Neben dem Deutschen Requiem waren sie es, die dem jungen Brahms zum Durchbruch verhalfen.
Von beiden Sextetten ist das zweite in G-Dur das kammermusikalischere – mal durchsichtig und dezent, mal beseelt von Mendelssohnschem Klangzauber, mal schmerzlich-wehmütig und dann wieder erfüllt von einer gleichsam hemmungslosen Musizierlaune alla Zingarese.
Antonín Dvořák, der Sohn eines Metzgers und Gastwirts in Mittelböhmen, musste seine Zeit zunächst mit anderem zubringen als mit Musizieren. Für den Vater trieb er Vieh über die Wiesen. Das Geigespielen lernte er nebenher. Doch bald wurde die Musik immer wichtiger. Seine musikalischen Anfänge machte er in der Dorfschule, in der Dorfkirche und in einer Tanzkapelle. Die Wende im ärmlichen Dasein des weithin unbekannten Prager Orchesterbratschers und Organisten Dvořák kam ausgerechnet aus der Hauptstadt Wien: 1875 gewann der immerhin schon 34-Jährige das österreichische Staatsstipendium, was er vor allem der Fürsprache von Johannes Brahms zu verdanken hatte, der als Juror fungierte. Der Hamburger in Wien ging noch einen Schritt weiter: 1878 empfahl er den acht Jahre jüngeren tschechischen Kollegen seinem Verleger Fritz Simrock.
Nach ersten Duetten, die sich sehr gut verkauften, schuf Dvořák auf Anregung Simrocks noch im selben Jahr 1878 den ersten Band seiner Slawischen Tänze. Deren Erscheinen brachte eine Lawine ins Rollen, schrieb doch ein renommierter Musikkritiker jene begeisterte Kritik, die den bis dahin ausserhalb seiner Heimat unbekannten Prager Komponisten über Nacht berühmt machen sollte.
Dvořáks einziges Streichsextett ist im gleichen Jahr wie seine Slawischen Tänze entstanden. Im Sextett manifestiert sich das Böhmische in vielen Facetten: mal melancholisch singend wie zu Beginn des ersten Satzes und in der Dumka, mal mitreissend tänzerisch wie im Scherzo. Mit der Besetzung verneigte sich Dvořák vor seinem Mentor und Förderer Brahms, der für diese Gattung Meisterwerke vorgelegt hatte. Das Sextett wurde 1879 in Berlin uraufgeführt, getragen von der Welle der Dvořák-Begeisterung, die ein Jahr zuvor die besagte Kritik ausgelöst hatte. Dvořáks Landsleute aber staunten über die internationale Karriere eines Komponisten, der jahrelang als Bratschist im Orchester des Prager Interimstheaters gespielt hatte und der nun in Windeseile seinem viel berühmteren Landsmann Smetana den Rang ablief.
Zum Konzertort
Rund 11 Hektaren gross ist das Fabrikgelände der ehemaligen Chamer Papieri zwischen Lorze und Knonauerstrasse. Wo mehr als 350 Jahre lang zuerst handwerklich, dann maschinell und fabrikmässig Papier produziert wurde, entsteht seit 2019 in mehreren grossen Etappen ein neues Wohn- und Arbeitsquartier. Etwa ein Drittel des alten Baubestands auf dem Papieri-Areal bleibt erhalten und wird umgenutzt. Zu diesen denkmalgeschützen Bauten gehört auch der Kalanderbau von 1910. Er ist das architektonische Prestigestück der Papierfabrik Cham. Geschaffen vom renommierten Architekturbüro Séquin & Knobel aus Rüti, orientiert er sich an der damals gängigen historischen Schlossarchitektur und wird so zum steingewordenen Ausdruck des grossen Selbstbewusstseins der damals so wichtigen Fabrik. Konzertort ist der grosse Kalandersaal im Erdgeschoss, dessen industrieller Charakter, abgesehen von den weggeräumten Maschinen, noch weitgehend unberührt ist. Übrigens: Der Kalander ist eine Maschine mit mehreren Walzen zum Glätten oder Satinieren des Papiers.
Einführung zum Konzertort
Thomas Fähndrich Dr. phil., Autor bei chamapedia.ch, Chamer Dorfführer