Oberwil bei Zug
Hauskapelle der PsychIatrischen Klinik Zugersee
Sonntag, 27. Juli 2025, 17.00 Uhr

«AUFBRUCH! DURCHBRUCH!»
VERTAVO STRING QUARTET

Øyvor Volle, Violine

Geboren in Hamar (Norwegen). Ausbildung bei Professor Leif Jørgensen. Gründungsmitglied des weltweit konzertierenden Vertavo Quartet. Konzertmeisterin im Orchester der Göteburger Oper. Lehrtätigkeit an der Universität Göteburg. Sie spielt eine Geige von Givanni Battista Cerutti von 1785.

Annabelle Meare, Violine

Geboren in England. Studium bei Yfrah Neamen in London und Lorand Fenyves in Toronto. Stimmführerin des Philharmonia Orchestra und des English Chamber Orchestra. Seit 2012 Mitglied des Vertavo String Quartet. Sie spielt eine Violine von Francesco Goffriller aus dem frühen 18. Jahrhundert.

 

Berit Cardas, Viola

Geboren in Norwegen. Ausbildung in Norwegen, Hannover und Minneapolis USA (Universität von Minnesota). Gründungsmitglied des Vertavo Quartet. Gefragte Geigensolistin und Dirigentin. Theaterstudien. Begeisternde Musikpädagogin, die möglichst viele Kinder an die klassische Musik heranführen möchte.

Bjørg Lewis, Violoncello

Geboren in Norwegen. Studium in Oslo und Stockholm. Gründungsmitglied des Vertavo Quartet. Lehrtätigkeit an der norwegischen Musikakademie. Zusammen mit dem englischen Pianisten Paul Lewis, ihrem Mann, Gründerin des Festivals Midsummer Music. Sie spielt ein Cello von Gennaro Gagliano von 1748.

Programm

Carl Nielsen (1865–1931)

Streichquartett in g-Moll op. 13 (1887/88)

Erwin Schulhoff (1894–1942)

Fünf Stücke für Streichquartett (1924)

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Robert Schumann (1810–1856)

Streichquartett F-Dur op. 41 Nr. 2 (1842)
 

Ticketreservation

Anfahrt

Adresse: Widenstrasse 55, 6317 Oberwil.

ÖV: Bus Linie 611 bis Klinik Zugersee; S 2 Zug–Oberwil, ab Bahnhof Oberwil ca. 600 Meter Fussweg oder Bus 611 nehmen.

Parkplätze: in Oberwil in die Widenstrasse einbiegen, bis zur Klinik fahren und dann der Signalisierung folgen.

VERTAVO STRING QUARTET

Das Vertavo Quartett gehört zu den besten Streichquartetten der Gegenwart. 1984 von vier blutjungen norwegischen Teenagern gegründet, ist es heute das wohl am längsten bestehende reine Frauenstreichquartett der Welt. Ein wunderbarer Reifeprozess, musikalisch und menschlich, aber auch eine grosse Herausforderung, ob sich Mutterschaft und Beruf auf diesem Niveau verbinden lassen. «Tagsüber übten wir, abends spielten wir in der Carnegie Hall und mitten in der Nacht liefen wir mit einem Baby, das den Wechsel der Zeitzonen vergessen hatte, die Hotelflure auf und ab. Auf diesen nächtlichen Spaziergängen dachten wir manchmal: Wie kann das nur weitergehen?» Aber: Es hat funktioniert! «Unermüdliche Arbeit, solider Zusammenhalt und der Drang, musikalisch eine Geschichte zu erzählen – das ist unsere heilige Dreifaltigkeit». 2005 erhielt das Quartett den Grieg-Preis, den bedeutendsten norwegischen Kulturpreis.

Aufbruch! Durchbruch!

Für die Zeit nach Edvard Grieg (1843–1907), dem grossen norwegischen Komponisten der Romantik, darf der Däne Carl Nielsen (1865–1930) mit Fug als der bedeutendste Vertreter skandinavischen Musikschaffens bezeichnet werden. Wie Hans Christian Andersen, der weltberühmte Märchenerzähler, wurde Nielsen auf der Insel Fünen geboren. Als Komponist war er in nahezu allen Sparten tätig – vom einfachen Lied bis zur grossen Sinfonie und zur Oper. Sein Ansehen in Dänemark war so gross, dass er zu seinem 60. Geburtstag wie ein Volksheld gefeiert wurde. Sein g-Moll-Streichquartett ist ein Frühwerk: herrliche, stürmisch-bewegte Musik, geistreich, sicher im Formalen und sehr hörenswert. Bei uns wird es fast nie gespielt. Somit ist es an den Norwegerinnen des Vertavo-Quartetts, die Fahne des Skandinavischen hochzuhalten!

Der 1894 in Prag geborene Erwin Schulhoff war einer der vielseitigsten Komponisten seiner Generation, bis auch er als Kommunist, Jude und «entarteter» Tonschöpfer auf der Festung Wülzburg in Bayern interniert wurde und dort 1942 an Tuberkulose starb. Nach Schulhoffs Überzeugung sollte Musik «in erster Linie durch Rhythmus körperliches Wohlbehagen, ja sogar Ekstase erzeugen». In einem Brief an Alban Berg schrieb er: «Ich habe eine ausserordentliche Leidenschaft für modische Tänze, und es gibt Zeiten, da gehe ich Nacht für Nacht tanzen allein aus Begeisterung für den Rhythmus und aus unterbewusster Sinnlichkeit.» Die Fünf Stücke für Streichquartett sind von genau dieser Leidenschaft geprägt. Mit ihnen gelang ihm beim Fest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik 1924 in Salzburg der Durchbruch. Die Widmung an den französischen Kollegen Darius Milhaud verrät, worum es ihm ging: prägnante Kürze der Sätze, suitenhafte Reihung, aphoristische Behandlung des Materials, eine freche Musik am Puls der Zeit. 

«Haydn’s, Mozart’s, Beethoven’s Quartette, wer kennte sie nicht, wer dürfte einen Stein auf sie werfen? Ist es gewiss das sprechendste Zeugniss der unzerstörbaren Lebensfrische ihrer Schöpfungen, dass sie noch nach einem halben Jahrhundert aller Herzen erfreuen, so doch gewiss kein gutes für die spätere Künstlergeneration, dass sie in so langem Zeitraume nichts jenen Vergleichbares zu schaffen vermochte», schrieb Robert Schumann 1842 in der Neuen Zeitschrift für Musik. Noch im gleichen Jahr machte er selbst den Anfang zu einer romantischen Neubelebung der Gattung. Nach intensiven Vorbereitungsarbeiten schuf er in nur sechs Wochen, zwischen Anfang Juni und Mitte Juli 1842, in der für ihn typischen Schnelligkeit drei vollständige Streichquartette und widmete sie in der Folge «seinem Freund Felix Mendelssohn-Bartholdy in inniger Verehrung». Es sollten Schumanns einzige Streichquartette bleiben. Aus romantischer Begeisterung und dem Studium der Klassiker erwachsen, haben sie dem Genre eine Fülle neuer Ausdrucksmöglichkeiten erschlossen.

Zum Konzertort

Das 1909 in Oberwil eröffnete «Sanatorium Franziskusheim» für männliche «Geistes- und Gemütskranke» – der Kern der heutigen Klinik Zugersee – geht auf eine Initiative des Kapuzinerpaters Rufim Steimer (1866–1928) zurück. 1923 übernahm die Kongregation der Barmherzigen Brüder von Maria-Hilf die Leitung der von den Zuger Architekten Dagobert Keiser und Richard Bracher erbauten Einrichtung und liess sie ab 1924 um einen Gebäudetrakt nach Norden erweitern. Dieser Anbau umfasste auch eine neue, viel grössere Anstaltskapelle. Sie nimmt die obersten zwei Geschosse und Teile des Dachraums ein und ist ein Baujuwel in schönstem Neobarock: lichtdurchflutet, mit zartem Rokoko-Stuckwerk überzogen und durch Gesims und kräftige Pilaster gegliedert. Überhaupt nicht «neo», sondern rund 280 Jahre älter ist das Herzstück der Kapellenausstattung: das Retabel des Hochaltars, das sich stilistisch passend in den Raum einfügt, ursprünglich aber in der 1877 abgerissenen Kirche des Kapuzinerklosters Baden stand und in Oberwil quasi rezykliert wurde.

Einführung zum Konzertort

Georg Frey  dipl. Architekt ETH, ehem. Denkmalpfleger des Kantons Zug

 

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